Vielleicht sind ROME's Konzerte gegenwärtig deshalb so wichtig, da sich nach 597 Tagen Bilder und Nachrichten über den Krieg in der Ukraine ein erschreckender Gewöhnungseffekt breit gemacht hat. Oder jene Bilder und Nachrichten angesichts des just aktuellen neuen Krieges mit dem Angriff auf Israel aus dem Gaza-Streifen aus den Schlagzeilen verschwunden sind. Vielleicht auch um ein Zeichen zu setzen, angesichts der Tatsache, dass auch in Deutschland etwa 20 % der Wählerinnen und Wähler exakt für jene kremelnahe Partei stimmen, die Putins Angriff rechtfertigen und diese Politik auch hier doch so gerne hätte.
Jérôme Reuter, alias ROME, widmete in Anlehnung an Serhii Plokhys Buch "The Gates of Europe - A History of Urkaine" am 25.08. dieses Jahres sein veröffentlichtes Album "Gates of Europe" dem geschundenen Land, welches thematisch an die zuvor veröffentlichte EP "Defiance" anknüpft. Die Tour zum Album führt den Luxemburger zur Zeit durch 36 europäische Städte. Im Berliner "Frannz Club" machte der Ausnahmekünstler Zwischenstation, bevor er samt Drummer Yan Dalscheid den Weg Richtung Polen fortsetzte.
Zum Stimmengewirr und den Geräuschen des gleichnamigen Intros zum Album erschienen die beiden Musiker pünktlich um 20:00 Uhr im nahezu ausverkauften Frannz Club im Prenzlauer Berg auf der Bühne. Die Collage aus Nachrichtensprechern, die den russischen Angriff verkündeten endet mit dem Satz "It's a terrible day für the Ukraine and the world".
Die Berliner erwartete 90 Minuten eines soliden Gigs des Duos, welcher mit "The Death of a Lifetime" eröffnet wurde und voll im Zeichen dieser Charity-Tour für ukrainische Flüchtlinge stand. In seinen Ansagen zwischen den songs bat Jérome Reuter das Berliner Publikum hin und wieder, sowie unaufdringlich um Spenden vor Ort, für dessen Zweck am Merch-Stand eine Spendenbox in den Landesfarben der Ukraine postiert wurde. Anders als bei manch anderem Künstler kauft man ROME's inbrünstiges und beherztes Engagement auch tatsächlich ab. Gründe des "Public Image" würden zu dem bescheidenen Luxemburger ohnehin nicht passen.
Der Songwriter begleitete die songs gewohnt auf der Gitarre, während Dalscheid mit seiner Performance mittels Trommeln, Shaker und allerlei anderen Schlagzwerkzeugen nicht nur für ein sowohl optisches, als auch akustisches Sahnehäubchen sorgte, sondern den songs auch eine Authentizität zu den Klängen auf dem Album verlieh.
Bei "Eagels of the Trident" tauschte Reuter die Gitarre ebenfalls gegen Tommelstöcke aus. Die setlist dominierte freilich durch die songs des aktuellen Albums, dazwischen griff Reuter immer wieder in die Kiste seiner umfassenden Diskographie und überraschte mit manchem Klassiker. "Dark Folk" nannte er seinen eigens erschaffenen Stil der songs und jener "Dark Folk" steht weder für Partynummern, noch wurde er für Rampensäue konzipiert und von den Gästen eines Konzertes erwartet man weder Pogo, noch Headbanging oder ekstatische Tänze.
Bei ROME's Konzerten trifft im Publikum der stille Geniesser auf den intellektuellen Langzeitstudenten und in Berlin natürlich auf den Grossstadtneurotiker. Was sie alle vereint, ist neben der Liebe zur Musik die fast einheitliche Farbe der Kleidung - Schwarz.
Musik für alle, die gerne auch jene von "Death in June" mögen, von deren Nazi-Ästhetik sich jedoch angewidert gleichzeitig abwenden und in "ROME" eine Alternative gefunden haben. Nichts desto Trotz wurden die songs mit viel Applaus und Gejohle gefeiert und die Fans kamen von song zu song immer mehr in Fahrt. Als dies seinen Höhepunkt zu erreichen schien, war leider aber auch schon erst mal Schluss und das Duo verabschiedete sich nach 75 Minuten. Noch einmal bat der Sänger um Spenden (im astreinen und akzentfreien Deutsch) und ließ sich dann auch mit zwei Zugabeblöcken nicht lange bitten. Und diese hatten es noch einmal in sich : "The Ballad of Mauripul" folgte die gefeierte Single "Yellow and Blue" aus "Gates of Europe", stimmig wurde das Bühnenbild in Blau und Gelb - den Landesfarben der Ukraine - getaucht und im Refrain sangen die Berliner "Courage has two colours - Yellow and Blue (Mut hat zwei Farben - Gelb und Blau)" mit. Dieser sehr emotionale Moment war auch das Highlight des Abends. Den Erlös der Vinyl-Single spendete Jérôme Reuter übrigens ebenfalls an ukrainische Flüchtlinge. Dieser neu geschaffenen Hymne mit diesem slogan folgte noch mit "One Fire" ein Song, bei dem die Fans mitklatschten und mitsangen. Die sehr gute und klare Akustik im Frannz Club ließ ebenso wenig Wünsche offen wie der Service und das einladende Ambiente vor Ort. Auf weitere Kracher wie "August Spies" oder "Hate us and see if we mind" wurde leider verzichtet, dabei wäre doch eigentlich noch Potential dafür gewesen. So verabschiedeten sich ROME aber nach 90 phantastischen Minuten endgültig und entließen die Berliner in die kühle Pankower Nacht hinaus.
In Deutschland gastieren "ROME" noch am 26.10. in Dresden, am 27.10. in Nürnberg und am 29.10. in München.
Wir bedanken uns bei Imken und Kerstin von a.s.s. concerts für die Einladung und die gute Zusammenarbeit.
Bericht : Jolly von Hayde Fotos : Axel Kretschmann
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